Frauen in der Führung oder als Unternehmerinnen – es gibt es immer noch viel zu tun

Von Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz

Seit nun fast 75 Jahren steht die Gleichberechtigung im Grundgesetz. Sehr viel hat sich in diesen 75 Jahren verändert, dennoch gibt es immer noch viel zu tun.

Dabei ist klar: die Gleichstellung der Geschlechter ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wenn Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, dann ist das nicht gerecht und birgt ein hohes Risiko für Altersarmut. Wenn Frauen den Löwenanteil an Care-Arbeit leisten, dann stecken sie beruflich zurück – oftmals mit langfristigen Folgen für Karriere und Einkommen.

Gleichstellung ist aber auch wichtig, wenn wir als Land wirtschaftlich erfolgreich sein wollen. Denn wir wissen: gemischte Teams bringen bessere Ergebnisse. Frauen sind heute so gut ausgebildet wie noch nie. Wir befinden uns in einem Veränderungsjahrzehnt, in dem die Art, wie wir leben, arbeiten und produzieren, sich grundlegend verändert. Wir wollen diese Veränderungen nutzen und Rheinland-Pfalz zum Gewinnerland dieser Transformationen machen, mit echter Zukunftsindustrie und nachhaltiger Wirtschaftsweise. Dafür brauchen wir alle klugen, motivierten und kompetenten Männer und Frauen. Wenn wir innovativ sein wollen, können wir uns schlicht nicht leisten, auf die geballte Expertise unserer klugen Frauen zu verzichten.

„Es braucht veränderte Rahmenbedingungen, aber auch die verstärkte Sichtbarmachung von starken Frauen, um kulturellen Wandel zu erzeugen“

Das Thema Frauen in der Führung oder als Unternehmerinnen ist mir auch daher ein großes Anliegen, denn leider ist auch in diesem Bereich noch keine Geschlechtergerechtigkeit erreicht. Frauen sind in Führungspositionen und auch als Unternehmerinnen immer noch unterrepräsentiert. Um das zu ändern, braucht es einen doppelten Wandel: Es braucht veränderte Rahmenbedingungen, aber auch die verstärkte Sichtbarmachung von starken Frauen, um kulturellen Wandel zu erzeugen. Role models, Mentoring, Netzwerke – sie rufen in Erinnerung: Natürlich können Frauen heute alles werden. Und das sollten sie einfordern und sich nicht entmutigen lassen!

Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit auch moderne Frauenpolitik hat die rheinland-pfälzische Landesregierung unter anderem die Gebührenfreiheit für KITAs und Krippen ab dem zweiten Lebensjahr eingeführt. Zudem gibt es einen Rechtsanspruch auf sieben Stunden Betreuung am Stück. Unternehmern und Unternehmerinnen werden somit mehr Handlungsspielräume gegeben. Zu den zentralen Handlungsfeldern der Landesregierung zählt neben der Gleichstellung im Erwerbsleben und der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf insbesondere auch die Förderung von Frauen in Führungspositionen.

„Wichtig ist die Schaffung von Frauen-Netzwerken“

Mit der Politik der Landesregierung wollen wir Frauen Wege aufzeigen, um sich in der Geschäftswelt zu behaupten. So gibt es Förder- und Beratungsangebote auch speziell für Frauen in der Wirtschaft. Hierzu zählt die Förderung von Gründerinnen und auch das Angebot von Unternehmerinnenmessen und des Unternehmerinnentags. Wichtig ist die Schaffung von Frauen-Netzwerken sowie die verstärkte öffentliche Wahrnehmung von Frauen in Führungspositionen. Um starke Frauen sichtbar zu machen und in ihrem gleichstellungspolitischen Engagement zu würdigen, habe ich den Marie Juchacz-Frauenpreis ins Leben gerufen, mit dem wir außergewöhnliche Frauen wie Lore-Marie Peschel-Gutzeit, Marlies Krämer, Claudia Neumann, Jutta Allmendinger, Golineh Atai, Rita Süssmuthund und Elisa Klapheck ausgezeichnet haben. In meiner Frauenwerkstatt biete ich Raum für einen Austausch unter Frauen über und mit erfolgreichen Frauen.

Um erfolgreiche Frauen sichtbar zu machen und zu würdigen, sind auch Aktionen wie der vom Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz in Kooperation mit dem Institut für Familienunternehmen und Mittelstand der WHU – Otto Beisheim School of Management ausgelobte Wettbewerb „Erfolgreiche Frauen im Mittelstand 2023“ mit seinen verschiedenen Sonderpreisen sowie der zusätzlich ausgelobte Publikumspreis ein sehr gutes Instrument. Es werden Frauen damit starke Vorbilder aufgezeigt und diese ermutigt, den oft gerade für Frauen nicht einfachen Weg als Unternehmerin oder als Führungspersönlichkeit zu beschreiten. Mit dem Wettbewerb werden auch Unternehmen besonders in den Blick gestellt, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Dies wird andere Unternehmen zur Nachahmung motivieren, denn die Wirtschaft braucht starke Frauen.

Der „weibliche Blick“ ist in vielen Branchen äußerst wichtig. Frauen und Männer sind oftmals unterschiedlich betroffen oder haben andere Herangehensweisen. Es hat sich gezeigt, dass gelebte Vielfalt Verwaltungen und Unternehmen voranbringt. Sie macht sie zukunftsfähiger.

„Wenn ich auf die vielen erfolgreichen und engagierten Frauen in diesem Land schaue, dann bin ich voller Zuversicht“

Was Frauen in Führungspositionen angeht, so bin ich ganz klar der Meinung, dass es ohne Verbindlichkeiten zurzeit nicht geht. Es gibt die gläserne Decke immer noch und Quoten helfen dabei, sie aufzubrechen. Die digitale Transformation ist aktuell eine große Chance, aber auch eine Herausforderung für Frauen. Sie ermöglicht die leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aber wir müssen sicherstellen, dass wir durch sie keine ungewollten Rückschritte in der Gleichstellung erleben, etwa indem Geschlechterstereotypen durch Algorithmen unsichtbar reproduziert werden. In diesem Sinne braucht es eine Gleichstellungspolitik 4.0.

Wir alle – Frauen und Männer – tragen die Verantwortung dafür, den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes mit Leben zu füllen und gegen antifeministische Tendenzen zu verteidigen. Wenn ich auf die vielen erfolgreichen und engagierten Frauen in diesem Land schaue, dann bin ich voller Zuversicht. Gemeinsam werden wir die Zukunft zum Guten gestalten.

Zum Themenbereich „Erfolgreiche Frauen im Mittelstand“

Bild: © Staatskanzlei RLP/Elisa Biscotti